Die Demokratie lebt. So viel stand am Ende des 40. Bürgerforums Nord trifft Süd, das der Planerladen gemeinsam mit der Auslandsgesellschaft.de am Abend des 25. Juni 2025 organisierte, fest. Doch in welchem Zustand, darüber tauschten sich das Podium und die über 40 Gäste lebhaft aus. Die Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher Initiativen auf dem Podium sprachen über ihre Projekte und Aktionen, wie demokratisches Engagement in Dortmund gestärkt werden kann und welche Herausforderungen es zu bewältigen gilt.
Den Auftakt machten Katharina Liederwald und Kirsten Lindner-Schwentick der Dortmunder Gruppe Omas gegen Rechts – einer zivilgesellschaftlichen Organisation, von der es mittlerweile bundesweit etliche regionale Ableger gibt. Aus einer Unzufriedenheit darüber, dass es in Dortmund zwar eine starke Zivilgesellschaft und engagierte Gruppen gibt, jedoch „die Sichtbarkeit fehlt“, gründete sich vor zwei Jahren die Dortmunder Ortsgruppe.
Mittlerweile zählt die Gruppe schon 80 Mitglieder, darunter auch „junge Omas“ mit bis zu 40 Jahren. „Wir kämpfen um die Zukunft unserer Enkel“, so beschreiben es die Vertreterinnen der Omas gegen Rechts. Aus dem Grund plant die Gruppe, zukünftig Workshops an Schulen zu geben und zeigt sich aktuell in der Öffentlichkeit durch Aktionen wie Flashmobs, Demoteilnahmen oder klassischen Infoständen.
Werbung für Demokratie statt für Parteien steht hierbei im Fokus. Größtenteils machen die Omas gegen Rechts positive Erfahrungen, doch gleichzeitig sind sie sich darüber bewusst, dass sie unter Beobachtung von rechten Gruppen stehen. Man habe daher kein gutes Gefühl, wenn Dortmunder Vertreter*innen der AfD ihren Infostand direkt neben dem der Omas gegen Rechts aufbauten.
Dass sich auch junge Menschen für die Demokratie interessieren und diese aktiv leben, das demonstrierten die beiden Lehrer*innen der Europaschule Mauricio Cifuentes Lucic und Rihab Badreddine. Dort leiten sie seit fünf Jahren die Demokratiewerkstatt und das Schüler*innenparlament. Das Konzept des Schüler*innenparlaments ist relativ neu. Das Parlament der Dortmunder Europaschule stellt eines der ersten in Nordrhein-Westfalen dar. Es setzt sich aus den gewählten Klassensprecher*innen zusammen, die als Minister*innen über eingebrachte und aktuelle Themen diskutieren. Debatten und Beschlüsse des Parlaments werden im Unterricht resümiert und in der Demokratiewerkstatt vertieft. Dazu gehört ebenfalls die Auseinandersetzung mit Rassismus und Mobbing sowie Gedenkstättenfahrten nach Theresienstadt oder die Teilnahme am Tag gegen Rassismus.
Angesprochen auf die Auswirkungen von Social Media auf die Jugendlichen berichten beide Lehrer*innen, dass der Einfluss mittlerweile sehr groß sei. Sie haben den Eindruck, dass soziale Medien für Jugendliche teilweise als verlässliche Quelle angesehen werden, weswegen die Europaschule Workshops zur Nutzung sozialer Medien anbietet.
Bisher fanden die Aktivitäten und Projekte beider Demokratieprojekte der Europaschule nur in dieser selbst statt, doch besteht der Wunsch, in Zukunft stärker in der Öffentlichkeit aufzutreten. Wichtig ist, so eine Rückmeldung aus dem Publikum, „dass junge Menschen empowerd werden und Wirksamkeit erfahren“, so, wie es das Parlament tut.
Erst seit Februar trifft sich das Demokratiecafé Dortmund monatlich im neuen Gebäude des Welthaus e.V. Hannah Fischer berichtet begeistert von den ersten Treffen. Teilnehmendenzahlen zwischen 15 und 35 zeigen, dass das Projekt gut und von immer wieder neuen Personen angenommen wird. Jede*r sei willkommen vorbeizuschauen, um sich gemeinsam auszutauschen, über Themen, die einen beschäftigen zu reden oder auch nur zuzuhören. Ein klares Konzept existiert nicht, denn jeder Teilnehmende dürfe eigene Ideen einbringen und ausprobieren. So diskutierten die Teilnehmenden zuletzt darüber, wie die Zivilgesellschaft auf den Druck, unter dem sie steht, reagieren kann und für wen Demokratie überhaupt sei.
Jannik Willers vom Verein Multikulturelles Forum arbeitet beim dieses Jahr gestartetem Projekt „Fair-stehen. Fair-ändern. Fair-bünden“. Wissenschaftlich begleitet und dem Narrative-Change-Ansatz folgend möchte das Projekt communitybasiert neue Narrative entwickeln und gemeinsame, positive Werte vermitteln. „60 bis 70 % der Menschen haben keine gefestigte Meinung. Die können wir erreichen und zusammenbringen!“ findet Jannik Willers. Zunächst werden Workshops durchgeführt, doch Ziel ist es, langfristig ein Begegnungsformat zu entwickeln. Ähnlich wie die Omas gegen Rechts kommt auch Jannik Willers zu dem Schluss, dass es „viel Engagement hier gibt, aber viele wissen nicht voneinander“.
Das Projekt „Demokratie für alle!“ der AWO Dortmund wird von Sigrid Pranke geleitet. Sie organisiert Schulungen zur Demokratiebildung für Ehrenamtliche und Mitarbeiter*innen der AWO. „Soziale Arbeit ist emanzipatorisch und beruht auf Menschenrechten“, weswegen diejenigen, die im sozialen Bereich arbeiten, standhafte Demokrat*innen sein müssen. Dramatisch findet Sigrid Pranke, dass Fördergelder gestrichen werden und fragt sich, „wieso sich gleichzeitig über den Rechtsruck gewundert wird.“
Zum Abschluss des Abends diskutierten die Teilnehmenden darüber, ob wir es uns in unserer Demokratie zu bequem gemacht haben. „Wir müssen sehr viel unbequemer werden und uns trauen, der Politik was zu sagen“, so eine Teilnehmerin. Möglich wäre dies bereits bei der Kommunalwahl am 14. September, doch, so zeigt der Abend, ist es auch abseits von Wahlen möglich und erforderlich, sich für die Demokratie zu engagieren.
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Hintergrund:
Das „Bürgerforum Nord trifft Süd“ ist eine Veranstaltungsreihe der Planerladen gGmbH in Zusammenarbeit mit der Auslandsgesellschaft und mit freundlicher Unterstützung von MIA-DO Kommunales Integrationszentrum Dortmund. Das Projekt wird aus Mitteln des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) der EU kofinanziert.