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18. Juli 2011

„Zu Wort gekommen“ – Menschen aus Stolipinowo beteiligen sich an der Diskussion

Vor dem sweetSixteen-Kino herrscht reges Treiben. Eine Gruppe von etwa 30 Zuwanderern diskutiert seit fast einer Stunde intensiv mit den Organisatoren. Viel Frust hat sich aufgestaut bei jenen Menschen, die die neuen Sündenböcke für all die Probleme - Kriminalität, Prostitution und heruntergekommene Häuser - in der Dortmunder Nordstadt zu sein scheinen. Sie kommen aus Bulgarien, die meisten aus dem auch in Dortmund inzwischen schon berüchtigten Viertel Stolipinowo der Stadt Plowdiw.

Mit mehr als 40.000 Einwohnern gehört dieser Stadtteil zu den größten Roma-Siedlungen in Südosteuropa. Sie leben ausgegrenzt und diskriminiert in Armut, haben meist keine beruflichen Perspektiven und sehen ihre letzte Chance in der Auswanderung. Viele aus dieser Siedlung leben in der Dortmunder Nordstadt, die hier traditionell als Eingangstor für Neuzuwanderer gilt, zumindest wenn diese nicht gerade aus akademischen Milieus stammen.

Der Dokumentarfilm „Im Ghetto – Die Roma von Stolipinowo“ soll gezeigt werden. Im Anschluss soll es eine Diskussion geben. Dazu haben die Organisatoren, der Planerladen e.V. und sweetSixteen-Kino sowie die Unterstützer, die Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW, die Alevitische Gemeinde NRW, die Auslandsgesellschaft NRW, der Mieterverein Dortmund, Bezent e.V. und Bodo e.V., den Regisseur Andreas Kraus am 18.07.2011 eingeladen. Dieser zeigt in seinem Film den Alltag der Menschen in Stolipinowo und beschreibt insbesondere das gegenseitige Misstrauen zwischen Roma und Nicht-Roma.

Es ist ein ruhiger Film, der die Menschen zu Wort kommen lässt. Trotz aller Widrigkeiten haben sie stets ein Lächeln im Gesicht und tanzen mal ganz spontan auf der Straße. Dies täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass sie hilflos und apathisch sind gegenüber der Ungerechtigkeit seitens des bulgarischen Staates. Die gemeinsame Ausgrenzung führt nicht unweigerlich zur gemeinsamen Solidarität untereinander.

Diese Gruppe aus Stolipinowo ist von Abbas Dogan (Bezent e.V.) und Tülin Kabis-Staubach (Planerladen e.V.) angesprochen und eingeladen worden, an der Filmvorführung und anschließender Diskussion teilzunehmen. Am Nordmarkt hat es ein Vortreffen mit den Betroffenen gegeben. Alle betonen, dass bisher niemand über deren Sorgen und Nöten mit ihnen gesprochen hat. Von den laufenden Förderprojekten, deren Zielgruppe sie sind, hätten sie noch nie etwas gehört. Nun sollen sie endlich selbst zu Wort kommen, ihre Sichtweise den Gästen und Nachbarn schildern. Diese Möglichkeit haben sie wahrgenommen. Eine Stunde vor Beginn der Veranstaltung stehen sie vor dem Kino und diskutieren mit den Organisatoren. Moderator Sebastian Pütter (Bodo e.V.) verspricht ihnen, dass sie unmittelbar im Anschluss an den Film auf jeden Fall selbst zu Wort kommen werden. Ihre Skepsis weicht schließlich. Sie sehen sich den Film an, ärgern sich zwar über einen Protagonisten im Film, den sie selber kennen, warten aber geduldig, bis sie endlich ihrem Frust freien Lauf lassen können.

Sie reden, erzählen den anderen ca. 120 Gästen, unter welchen Bedingungen sie in Dortmund leben, wie sie von der Polizei schikaniert werden und selbst im gelobten Land Deutschland nicht vor Diskriminierung gefeit sind. Einige von ihnen leben auf der Straße. Eine junge Frau betont, dass sie seit dem Mauerfall und der damit einhergehenden Demokratisierung des ehemaligen kommunistischen Bulgariens immer mehr ins gesellschaftliche Abseits geraten sind. Sie wollen als EU-Bürger nicht auch noch in Deutschland ausgegrenzt werden, wollen nicht, dass sich das bulgarische Trauma in Dortmund wiederholt.

Im Rahmen der Podiumsdiskussion geht Tülin Kabis-Staubach kurz auf das Projekt „Blickwechsel – wir sagen NEIN zu Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit“ ein. Damit zielt der Planerladen e.V. auf eine Versachlichung der Diskussion in der Nordstadt. Tülin Kabis-Staubach hebt hervor, dass viele Probleme in der Nordstadt hausgemacht sind und seit Jahren bestehen. Dies zeige sich nicht zuletzt im Wohnbereich. Die vereinfachenden Schuldzuschreibungen müssten aufhören. Die Ursachen des Elends sollten bekämpft werden, die Verantwortlichen selbst, also die Vermieter als Spekulanten und ausbeutende Arbeitgeber, müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Die Freier, die im Sperrbezirk unterwegs sind, sollten verfolgt und mit saftigen Strafen belegt werden. Einige lokale Akteure seien mit ihrer Wortwahl gegenüber diesen Not leidenden Menschen sehr negativ aufgefallen. An Rat und Hilfe denke anscheinend niemand. Auch die Medien hätten hierbei mitunter eine unrühmliche Rolle gespielt.

Diese Veranstaltung, betont Sebastian Pütter, ist ein Neubeginn; ein erster symbolischer Schritt zum Dialog ist gesetzt worden. Denn erstmals nehmen Betroffene aus Bulgarien selbst teil. Bisher ist über sie gesprochen worden, jetzt kommen sie selbst zu Wort und diskutieren mit. Die Organisatoren versprechen, dass sie die Belange dieser Menschen im Blick behalten und die Kontakte verstetigen werden.

Nach den abschließenden Worten des Moderators bilden sich Grüppchen. Die Betroffenen bedanken sich bei den Organisatoren, dass sie zu Wort kommen konnten und ihre Sorgen und Nöte ernst genommen worden sind. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit in einer demokratisch verfassten Gesellschaft, möchte man meinen. Weitere Schritte müssen folgen, denn auch sie sind ein Teil unserer Stadt.